Internationaler Abend: Indien Land der Gegensätze

Diese Woche hat unser Vorstandsmitglied Paula Röver uns bei einer Veranstaltung in der Genossenschaft von ihrem umweltpolitischen Freiwilligendienst in Indien berichtet. Wir finden, dass ein solcher Freiwilligendienst eine tolle Möglichkeit für junge Menschen ist, die Welt kennenzulernen und sich politisch zu engagieren. Wenn ihr auch Interesse an einem solchen Dienst habt, schaut doch mal bei den Angeboten von Weltwärts vorbei!

Hier dokumentieren wir einen Bericht Paulas, den sie nach der Rückkehr aus Indien verfasst hat:

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer, liebe Freundinnen und Freunde,

seit anderthalb Monaten bin ich jetzt schon wieder in Deutschland, auch wenn es sich viel kürzer anfühlt und wie versprochen wollte ich mich noch ein letztes Mal melden.

Ich blicke auf ein unglaubliches Jahr zurück, voller Abenteuer und neuer Erfahrungen. Nie zuvor in meinem Leben habe ich so viel in so kurzer Zeit gelernt, über mich, die Welt, Indien, Deutschland. Ich bin an dem letzten Jahr unglaublich gewachsen, Indien hat mir so viel gegeben, aber trotz der Tatsache, dass ich mich verändert habe, bin ich im Grunde doch die Person geblieben, die ich davor war (zumindest, wenn ich den Menschen in meinem Umfeld glauben schenken darf).

Wie ihr in meinen Mails sicher mitbekommen habt, hatte ich mich Hals über Kopf in Indien verliebt gehabt und diese Liebe hat sich bis zum Ende gehalten. Ich bin mir bis heute nicht sicher, was die Magie des Landes ausmacht, ob es der unglaubliche Facettenreichtum ist (bisher habe ich kein Land gesehen, in denen Kontraste so offensichtlich zu sehen waren), oder das Leben, das man überall spüren konnte, ob das Chaos oder die Menschen, die mich so oft so herzlich aufgenommen haben.

Doch trotz dessen habe ich in Indien mein Leben ganz neu zu schätzen gelernt und Alltäglichkeiten, die für mich in Deutschland normal sind, mit anderen Augen zu betrachten gelernt. Wie habe ich mich über meine warme Dusche, die immer Wasser hat, gefreut, über den funktionierenden Kühlschrank, mein Zimmer ohne Ameisen (natürlich gibt es sowas auch alles in Indien, aber dann doch eher in einer gehobeneren Bevölkerungsschicht – Urlaub bei meinen Freundinnen war für mich in Indien immer ein kleiner Luxus). Und das sind nur die oberflächlichen Dinge. Es gibt wahrscheinlich zwei Dinge, die ich zudem wohl am meisten zu schätzen gelernt habe. Zum einen war das meine Freiheit. Besonders aufgefallen ist mir das immer und immer wieder beim Thema Heirat, da es für mich und meine Freundinnen in unserem Alter eines der zentralen Themen war. Es tat mir oft im Herzen weh, meinen Freundinnen zuzuhören, die ein Leben führen wie ich, aber die wissen, dass sie spätestens in wenigen Jahren heiraten müssen und das ihr ganzes Leben ändern kann. Aber meine Freiheit habe ich in Deutschland auch, wenn ich mich frei entscheide, was ich studiere, mit wem ich abends ausgehe oder in welche Stadt ich ziehe, wo in Indien immer entweder die Familie oder die Gesellschaft mitzureden hat. Und zum anderen war es der deutsche Staat, so komisch das im ersten Moment klingt. Erst in Indien habe ich erfahren, wie toll es doch ist, ein funktionierendes System hinter sich zu haben, zum Beispiel in einer Notsituation einfach die Polizei anrufen zu können und dabei nicht zweimal überlegen zu müssen, ob die nicht noch schlimmer ist. Auch wenn das Vertrauen in unsere Politik, gerade im Osten, derzeit vielleicht nicht hoch ist und viel geschimpft wird, es gibt wenigstens Menschen, die sich engagieren und ich kenne viele, die auch in die Politik vertrauen. Aber in Indien ist Politik komplett abgeschrieben, wird in Ganzem als korrupt abgestempelt, wodurch sich ein Teufelskreis auftut, da sich keiner engagiert und nur der gleiche Typ Mensch nachwächst. Die Abwesenheit von Politik hat mir im letzten Jahr mit am meisten gefehlt, auf eine Demonstration zu gehen oder eine politische Bildungsveranstaltung zu besuchen. Selbst unsere Arbeit im CEE war sehr unpolitisch und immer nach der Regierung gerichtet.

Insofern bin ich auch froh, wieder in Deutschland zu sein, auch wenn der Kulturschock bei der Heimreise um einiges größer war als bei der Hinreise. Zurück ins ordentliche, leise, geordnete, unaufgeregte Deutschland zu kommen, irgendjemand hat mir das gut beschrieben indem er meinte, das sei wie aus Freiheit zurück in ein eng gestricktes Netz zu kommen, in dem man sich nur eingeschränkt bewegen kann. Aber ich habe mich wieder gut eingelebt und es war toll, viele Menschen nach einem Jahr wiederzusehen. Trotzdem vermisse ich mein Indien, das mir eine zweite Heimat geworden ist, und ganz besonders fehlen mir meine Freundinnen und der Chai.

Für mich geht es Ende der Woche nach Dresden, wo ich an der TU anfangen werde, Maschinenbau zu studieren.

Einen Bollywood-Filmklassiker-Tipp möchte ich euch noch geben, der einem auf unterhaltsame Weise Indien näher bringt, schaut unbedingt „3 Idiots“ (gibt’s auf deutsch bei Youtube). Meine FreundInnen in Indien haben mir den am Anfang alle ans Herz gelegt und jetzt gebe ich euch den Tipp weiter.

Wer noch mehr über mein Jahr in Indien hören möchte, noch mehr Photos sehen will, der kann sich gerne bei mir melden

Liebe Grüße,
Paula

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