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Wie weiter nach Bautzen und Clausnitz? – Jusos diskutieren mit Henning Homann, MdL

Die Dresdner Jusos laden am kommenden Dienstag (15.3.) ab 19 Uhr zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in die Genossenschaft (Prießnitzstr. 20) ein. Zu Gast ist Henning Homann, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender und Landtagsabgeordneter aus Mittelsachsen. Mit ihm wollen die JungsozialistInnen über die politischen Folgen der Geschehnisse in Bautzen und Clausnitz diskutieren. Die Blockade in dem mittelsächsischen Dorf und der Brand des Bautzner Husarenhofes haben bundesweite und sogar internationale Aufmerksamkeit auf Sachsen gelenkt. In Reaktion auf diese Ereignisse hat die SPD-Landtagsfraktion einen umfangreichen Forderungskatalog vorgelegt, in dem unter anderem mehr politische Bildung und eine Stärkung der Zivilgesellschaft verlangt werden.

“Der Freistaat Sachsen hat nicht erst seit Bautzen und Clausnitz ein massives Problem mit rechter Gewalt und alltäglichem Rassismus.” so der Dresdner Juso-Vorsitzende Stefan Engel. “Die CDU hat die erschreckende Entwicklung in Sachsen jahrelang verharmlost. Anstatt Menschen zu unterstützen, die sich gegen Nazis engagieren, wurden diese kriminalisiert. Staatliche Institutionen sind auf dem rechten Auge vielfach blind. Wenn die Landesregierung nicht schnellstmöglich umsteuert, werden sich Geschehnisse wie in Bautzen und Clausnitz wiederholen.”

Die Jusos Dresden sind als Jugendorganisation der SPD mit etwa 360 Mitgliedern der größte politische Jugendverband in der Landeshauptstadt.

[27.7., Bf. Mitte] Open your Mind – Stop Racism!

Sicherlich habt ihr alle schon von den Geschehnissen rings um das an der Bremer Straße errichtete Zeltlager für Asylsuchende gehört. Viele Jusos waren am Freitagabend dabei, als die Nazis dort aufmarschiert sind und GegendemonstrantInnen auch körperlich angegriffen haben. Dieser Mob hat sich offenbar wieder für den Montagabend verabredet, um ggf. nach der Pegida-Veranstaltung die Asylsuchenden zu bedrohen.

Das Bündnis Dresden Nazifrei mobiliert daher zu einer Gegendemonstration, um das Zeltlager zu schützen. Start ist am Montag um 19 Uhr am Bahnhof Mitte. Zugleich wollen wir auch ein Zeichen für eine menschenwürdige Unterbringung setzen. Die Einrichtung dieser “Zeltstadt” ist ein absolutes Armutszeugnis und ein weiterer Baustein der völlig katastrophalen Asylpolitik des sächsischen Innenministeriums.

Facebook-Veranstaltung

(K)ein Ort der Vielfalt? – CSD-Absage wäre ein Armutszeugnis für Dresden

CSD 2015Die Jusos Dresden und die Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD Dresden (Schwusos) reagieren mit Unverständnis auf die Ankündigung der Dresdner Stadtverwaltung, den Christopher Street Day in diesem Jahr wegen angeblicher Lärmbelästigung nicht auf dem Altmarkt starten lassen zu wollen. Nun hat der CSD e.V. der Stadt ein bis Montag laufendes Ultimatum gesetzt, um doch noch eine Lösung zu finden.

Für den Vorsitzenden der Dresdner Schwusos, Marc Dietzschkau, wäre eine Absage ein Armutszeugnis: “Nachdem sich Dresden in den vergangenen Monaten nicht unbedingt als Ort der Toleranz und Vielfalt präsentiert hat, könnte der CSD ein gelungenes Gegenbeispiel setzen. Doch wieder einmal zeigt sich die Dresdner Verwaltung von ihrer engstirnigen Seite. Anstatt Engagement für ein buntes Dresden zu fördern, werden Steine in den Weg gelegt. Dass sich der CSD-Verein das nicht bieten lassen will, kann ich gut verstehen. Die Posse um Regenbogenflaggen vor dem Dresdner Rathaus im Jahr 2012 ist noch in böser Erinnerung.”

Der Vorsitzende der Dresdner Jusos, Stefan Engel, sieht nun Dirk Hilbert in der Pflicht: “Nun muss der amtierende Oberbürgermeister zeigen, ob er für ein offenes Dresden steht oder ob er kleingeistigen Verwaltungsargumenten eine höhere Priorität einräumt. Die Cockerwiese ist sicherlich kein geeigneter Platz. Das Label “Ort der Vielfalt” darf nicht nur ein Aushängeschild sein, sondern muss auch mit Leben gefüllt werden. Nicht zuletzt muss man sich fragen, warum vor einem Jahr gegebene Zusagen kurz nach Orosz’ Ausscheiden keine Gültigkeit mehr haben.” Damals hat Ex-OB Orosz zugesichert, der CSD gehöre auf den Altmarkt.

 

Alles wie immer… – Blogbeitrag zur Orosz/Tillich-Kundgebung

FCK PGDAvon Felix Göhler und Stefan Engel

Nun haben Sie es also endlich geschafft. Mehr als 3 Monate hat es gedauert, bis Ministerpräsident Tillich und Oberbürgermeisterin Orosz sich aktiv in die Geschehnisse rund um die PEGIDA-Demonstrationen einmischen. Besser spät als nie möchte man fast sagen.

Doch schon beim Entstehungsprozess hakte es: Eine solche Kundgebung mit anvisierten 20.000 Teilnehmer_innen fünf Tage davor ohne vorherige Rücksprache mit den bisherigen Akteuren (Dresden für Alle, Dresden Nazifrei) aus dem Boden zu stampfen, finden wir nicht nur ambitioniert, sondern auch ziemlich taktlos gegenüber den Leuten, die hier seit Wochen viel Engagement und Zeit hineinstecken. Woher nun die plötzliche Motivation kam, kurzfristig eine solche Veranstaltung zu organisieren, lässt sich nur erahnen.

Aufgerufen wird jetzt also zu einer Kundgebung mit dem Motto „Für Dresden, für Sachsen – für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander”. Dies ist allerdings die bereits überarbeitete Variante des Titels, gegen den ursprünglichen Slogan “eine Stadt, ein Land, ein Volk” war von mehreren Seiten interveniert worden.

Selbstverständlich existiert auch ein Aufruf-Text, bei dem genaueres Hinsehen lohnt.

Er beginnt mit dem schönen Satz “Die Landeshauptstadt Dresden und der Freistaat Sachsen sind seit Jahrhunderten weltoffen.” Die Formulierung im Präsens soll also vermitteln, dass dies dem Ist-Zustand entspricht. Da “weltoffen” ja nicht fest definiert ist liegt dies selbstverständlich im Auge des Betrachters, obwohl es angesichts von mittlerweile wöchentlich über 10.000 Menschen die offen ihren Hass auf alles vermeintlich Fremde auf die Straße tragen zumindest fraglich erscheint. Welche geschichtliche Epoche mit “seit Jahrhunderten” gemeint sein soll wird auch nicht näher erläutert, Kaiserreich, Faschismus und DDR kommen wohl eher nicht in Frage.

“Die Erfolgsgeschichte des Kultur- und Wirtschaftslandes Sachsen ist nur möglich geworden, weil die Menschen von hier gemeinsam mit Menschen aus allen Teilen der Welt Hand in Hand daran gearbeitet haben.” heißt es weiter. Migration schafft einen kulturellen und wirtschaftlichen Mehrwert, eine Aussage die vermutlich Viele so teilen würden. Warum aber muss die im Motto geforderte (Mit-)Menschlichkeit über diesen Umweg begründet werden. Menschlichkeit per se ist bedingungslos, sowohl in der Philosophie des Humanismus, in den Weltreligionen und im modernen Ansatz der allgemeinen Menschenrechte.

Auch die Formulierung “Für viele, die zu uns gekommen sind, ist Sachsen zur Heimat geworden. Sie teilen unsere Sprache und Werte.” lässt mehr offen als sie aussagt, da weder definiert wird wer mit “uns” gemeint sein soll, noch welche Sprache und Werte diese Gruppe denn als die ihrigen bezeichnet. Die hier wahrscheinlich gemeinten “sächsischen Uhreinwohner” teilen nicht alle DIE eine gemeinsame Sprache und es scheint doch mehr als naiv anzunehmen, dass über 4 Millionen Menschen auch nur im Groben den gleichen Wertekanon besäßen (siehe abermals PEGIDA). Auch wird nicht ersichtlich, warum diese beiden Sätze hier im Zusammenhang stehen. Stellt das Eine die Bedingung für das Andere dar?

Der letzte inhaltliche Teil außer der Wiederholung des Titels beinhaltet die Aussage “Wir setzen uns gemeinsam für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Zusammenhalt der Gesellschaft ein.”, soweit so unverfänglich. Hier besteht das bereits genannte Problem weiter fort. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind wertlos, solange ihnen keine ethische Grundlage wie eben die der allgemeinen Menschenrechte innewohnt. Zwar ist in diesem Zusammenhang klar, dass die Begriffe nicht theoretisch abstrakt behandelt sondern konkret auf Sachsen bzw. Deutschland bezogen werden, dennoch stellt sich ja gerade im Fall des Menschenrechts auf Asyl die Lage eben hier sehr defizitär dar. Dieses ist in Deutschland durch Asylkompromiss und Drittstaatenregelung de facto abgeschafft. Rechtsstaatlichkeit heißt hier eben auch eine menschenunwürdige Abschiebepraxis und die Nichtgewährung von medizinischen Leistungen. Die Begrifflichkeit des “Zusammenhalt der Gesellschaft” bleibt darüber hinaus vollkommen unklar.

Zurückkehrend zum Titel bleibt also eine “Weltoffenheit” die zur Zeit eher fraglich erscheint, eine “Mitmenschlichkeit” unter Bedingungen aber ohne klare Bekenntnisse und ein “Dialog im Miteinander”, der scheinbar keine Grundlage kennt, also alles als verhandelbar impliziert. Dem voran steht nun auch noch ohne jede inhaltliche Aussage das kryptische “für Dresden” und “für Sachsen”. Auch hier steht es wohl allen selbst frei zu interpretieren, was damit gemeint sein soll.

Was bleibt, ist eine inhaltlich nicht näher definierte Veranstaltung, getragen von der sächsischen CDU mit Redebeiträgen von Tillich und Orosz. Jener Partei also, die in den letzten Monaten im Zusammenhang mit dem Thema PEGIDA eher durch Abgrenzungsprobleme bis hin zu anbiederndem Populismus aufgefallen ist. Erwähnt sei Innenminister Ulbig mit seinen Forderungen nach Polizei-Sondereinheiten für kriminelle Flüchtlinge, Tunesien zum sicheren Drittstaat zu erklären und der Ablehnung eines Winterabschiebestopps. Erinnert sei auch an die verantwortungslose Ablehnung des Flüchtlings-Unterbringungskonzeptes der Stadtverwaltung durch die CDU-Stadtratsfraktion.

Diese Konstellation lässt für uns nur den Schluss zu, dass wir es hier mit einer reinen Image-Rettungsaktion für Dresden bzw. Sachsen zu tun haben, die Label wie “Weltoffenheit” und “Mitmenschlichkeit” über das hässliche Bild kleben möchte, das in den letzten Monaten hier zu sehen war.

Vollkommen entlarvend war schlussendlich die Aussage des CDU-Landtagsfraktionschef Kupfer im MDR-Sachsenspiegel. “Und da sind ausdrücklich auch die 18.000 eingeladen, die montags zu PEGIDA gehen. Wir wollen mit diesen Menschen ins Gespräch kommen.” Man soll also mit Pegida gegen Pegida demonstrieren? Nein, das kann nicht funktionieren.

Ins gleiche Horn stößt übrigens auch Viola Klein, ihres Zeichens Chefin von Saxonia Systems und ansonsten auch nicht als allzu CDU-kritisch bekannt. Sie soll bei der Kundgebung auf dem Neumarkt ebenfalls als Rednerin auftreten. Sie lässt sich in der Freitagsausgabe der SZ mit den Worten “Die Teilnehmer der Pegida-Demonstration seien zu schnell in die rechte Ecke gestellt worden. Das treffe für die meisten nicht zu. Es müsse doch möglich sein, seine Meinung und seine Ängste frei zu äußern, fordert sie.” zitieren.

Es zeigt sich wie so oft zuvor die vollkommene Ignoranz im Umgang mit Rassismus bzw. menschenverachtenden Einstellung im Allgemeinen in Sachsen. Der Dialog wird nicht mit den Betroffenen von Anfeindung und Gewalt gesucht, sondern mit den Verursacher_innen. Ausländer_innen werden weiter nach Nützlichkeit sortiert, anstatt Alle willkommen zu heißen. Menschen die sich antirassistisch und antifaschistisch engagieren, werden nach wie vor kriminalisiert und mit dem Werkzeug der Extremismustheorie bekämpft. Rassistisch motivierte Gewalt wird nicht ernst genommen, sondern heruntergespielt.

Liebe CDU Sachsen, ihr habt es nach Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen nicht verstanden, nicht nach den Morden des NSU und ihr versteht es heute bei PEGIDA nicht.

Landtag rollt Nazis roten Teppich aus – Ulbigs Polizei seit Jahren außer Rand und Band

Nazis im Sächsischen Landtag sind leider nichts Neues. Dass sich jedoch die Polizei erdreistet, Feinde der Demokratie zu deren Schutz ins “Haus der Demokratie” zu geleiten, besitzt selbst für Sachsen eine neue Qualität. Auch aus Sicht der Angestellten und Abgeordneten sowie der Besucherinnen und Besucher und deren Sicherheit ist das Handeln der Polizei unverantwortlich.

“Seit Jahren tut der Freistaat alles dafür, die ‘sächsische Demokratie’ immer wieder mit peinlichen Beispielen neu zu definieren.” so der Dresdner Juso-Vorsitzende Stefan Engel.

2011 wurden die falschen Häuser mit Kettensägen gestürmt, in Plauen werden Kirchen eingenommen und darin brutalst vorgegangen, friedliche Demonstranten in Dresden mit Verfahren überzogen und nun wird Nazis der rote Teppich in den Landtag ausgerollt.

“Es bleibt festzuhalten: Weder hat Herr Ulbig seinen vogelwilden Polizeiapparat im Griff, noch hat Herr Rößler eine Ahnung davon, was er als Hausherr mit seinem (Nicht)handeln angerichtet hat. Auch bei der Polizei gilt: Der Fisch stinkt vom Kopf her!”

Erstaunt zeigte sich der Juso-Chef auch davon, wie leicht die Hausordnung des Landtags faktisch außer Kraft gesetzt werden kann: “Gestern Abend befanden sich im Landtag eine Vielzahl von Personen, die Nazi-Modemarken wie z.B. Thor Steinar getragen haben. Laut der Hausordnung des Parlaments ist genau das seit 2007 verboten. Der Landtagspräsident muss sich schon fragen lassen, wie ernst er seine eigenen Regelungen nimmt.”

Die Jusos Dresden fordern sowohl von der Polizei als auch der Landtagsverwaltung eine Erklärung, wie und warum sie so fatal gehandelt hat.

Aufwachen – Aufstehen. Dem Naziaufmarsch Entgegentreten. Ein Erlebnisbericht.

Triggerwarnung: Bericht enthält Schilderungen, Beschreibungen und Ausführungen von körperlicher Gewalt

Am Samstag, den 5. Oktober 2013 traf sich frühmorgens um halb 11 eine Gruppe von Jusos und Menschen, die sich uns anschließen wollten, um mit einigen anderen Gruppen den Bus nach Döbeln zu nehmen. Dort wollten wir gegen die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) protestieren, die dort zu einer Demo gegen Repression und Polizeiwillkür aufgerufen hatten, welche anlässlich des Verbots der „Nationalen Sozialisten Döbeln“ durch das sächsische Innenministerium am 18.2. dieses Jahres angemeldet wurde. (Die Mitglieder dieser Gruppe sind in der Zwischenzeit größtenteils zu den JN übergetreten. Diese und andere Entwicklungen lassen auf ein verstärktes Interesse von JN-Führungskadern schließen, die „Jungen Nationaldemokraten“ als Vorfeldorganisation der NPD im rechtsautonomen Kameradschaftsspektrum zu etablieren.)

Nach einer dreiviertel Stunde Fahrt über die A4 bei schönstem Sonnenschein und den wichtigsten Infos zum Tag kamen wir endlich in Döbeln an. Mit der Busgruppe begaben wir uns zum Startpunkt der Antifaschistischen Demonstration, dem Körnerplatz. Auf dem Weg dorthin kam eine Gruppe Polizisten auf uns und veranlasste bei einigen Menschen eine erste Taschenkontrolle.

Nach einer dreiviertel Stunde Warten ging die antifaschistische Demo rund um den Körnerplatz mit einem Redebeitrag der Demoorganisator_innen los, welche den Hintergrund des Naziaufmarsches klarmachte. Die Demo führte von der Waldheimer Straße über die Bahnhofsstraße nah am Soziokulturellen Zentrum, dem Treibhaus e.V. vorbei. Dort gab es neben dem uns ständig begleitenden Küche-für-alle (Küfa)-Kollektiv Black Wok nochmals belegte Brote und selbst gemachte Müsliriegel. Nachdem wir nach einer ruhigen Zwischenkundgebung am Döbelner Asylsuchendenheim in der Friedrichstraße weitergelaufen waren, kam vom Lauti nach einem Stocken der Demo die Info, dass Polizist_innen Demonstrierende aus der Menge herausgezogen hatten. Nachdem sie diese wieder freigelassen hatten, konnte die Demo weiter gehen, bis sie in der Waldheimer Straße wieder stockte, dieses Mal, weil ein Neonazi, der anscheinend in der Menge auftauchte, einen Platzverweis bekam. Nach einer Weile ging es weiter und bis auf die Wanne mit Überbau, von wo aus Polizist_innen uns ohne Anlass filmten, welche nicht unter einer Brücke von 3,50m Höhe durchpassten und sich daher unter dem Gelächter der Menge ducken mussten, lief alles ohne weitere Zwischenfälle zum Startpunkt der Demo zurück.

Dort angekommen war man vorerst weitgehend auf sich allein gestellt, da es außer der Empfehlung, sich in Richtung Innenstadt zu bewegen, keine weiteren Handlungsszenarien gab. Man konnte sich zwischen einem “Shoppen gegen Rechts“, einem Lichterfest der Stadt, einer von SPD-MdL Henning Homann angemeldeten Kundgebung unmittelbar am Startpunkt der Naziroute oder einem Interkulturellen Herbstfest des Treibhaus e.V.s entscheiden. Nach einigem hin und her, das meist an Polizeiabsperrungen endete, gelangten wir schließlich in den Innenstadtbereich. Schon hier wurde deutlich, dass es der Polizei vor allem darum ging, den Weg für die Nazis frei zu halten. Dass Menschen zu angemeldeten Kundgebungen gelangen wollten, schien sie nicht weiter zu interessieren.

Gruppen von Gegendemonstrant_innen bewegten sich zu diesem Zeitpunkt meist recht chaotisch mal in die eine, mal in die andere Richtung. Schließlich im Innenstadtbereich angekommen stellten wir fest, dass wir auf der Kreuzung Ritterstraße / Rudolph-Breitscheid-Straße im Grunde mit 4 weiteren Menschen völlig allein auf der Naziroute standen. Nach dem obligatorischen Anruf beim Infotelefon spekulierten wir darüber, ob die Nazis vielleicht auf einer anderen Route entlanggeführt werden würden, da sich das Polizeiaufgebot bis zu diesem Zeitpunkt stark in Grenzen hielt. Am Horizont sahen wir einzelne Antifa-Gruppen umherschwirren, die sich erst nach einer halben Stunde zu uns trauten. Die Polizei hatte in der Zeit natürlich gemerkt, dass sich etwa 100 Menschen auf dieser Kreuzung sammelten und bildeten eine Kette um uns klarzumachen, dass wir keine Unterstützung von außen mehr bekämen, die sich allerdings an den Ketten langsam sammelte. Nach einer weiteren halben Stunde kamen im Verlauf von etwa 20 Minuten die obligatorischen 3 Durchsagen, die auch die letzten Zweifler_innen, was die Nazi-Route anging, vom Gegenteil überzeugt haben dürfte. In der Zeit verließen einige Menschen die Blockade, um hinter den Absperrungen eine neue aufzubauen.

Nachdem immer mehr Blockierer_innen den von der Polizei umstellten Bereich verlassen hatten, wurde der Blockadepunkt schließlich geräumt. Daraufhin entschloss man sich kurzer Hand kollektiv, die Kreuzung Kreuzung sein zu lassen und an einer anderen Stelle auf der Naziroute sein Glück zu suchen. Nach einem 300 m Sprint erreichte der Großteil den schnell entstandenen Blockadepunkt auf der Brücke Bahnhofstraße doch relativ zügig und es erfolgten nun unverzüglich innerhalb von 5 Minuten die obligatorischen 3 Polizeidurchsagen, bei der 2. Durchsage bereits die Androhung der “Räumung unter Schlagstockeinsatz”. Die anwesenden Polizeikräfte traten bereits vermummt und mit heruntergelassenem Visier an die Blockade heran. Die nächsten 5 Minuten sollten sich wie auf einem Teppich, der einer_einem mit aller Gewalt unter den Füßen weggezogen wird, anfühlen. Lernt man bei jedem Blockadetraining, dass man weggetragen wird, erfuhren es Menschen aus meiner Bezugsgruppe und vielen anderen Bezugsgruppen anders. Sie wurden beispielsweise in der üblichen Sitzposition hochgehoben und einfach 3 Sitzreihen weiter in die Menge geschmissen. Einige Menschen wurden mittels Muskelkraft einfach zu Boden gedrückt, uns gelang es aber im letzten Moment, einige Betroffene aus dieser Situation zu befreien. Danach entfernten wir uns vorerst ein paar Meter aus dem Gemenge, das aus Antifaschist_innen am Boden, wild gestikulierend, anderen Menschen helfend oder beim Abwehren der Knüppelschläge der Polizist_innen bestand, welche weiterhin knüppelten, prügelten und drängelten. Natürlich reichte es auch nicht, die Naziroute frei zu”räumen”, die Ordnungskräfte machten einfach noch 50 m weiter, worauf die beginnende Panik nur noch mehr eskalierte, da die Gassen von Döbeln nun nicht gerade für ihre Weitläufigkeit bekannt sind.

Nach diesem wirklich kritischen Punkt kamen wir schließlich an der weltberühmten Pferdestraßenbahn in Döbeln raus, welche gerade um die Ecke bog und bei diesem Massenauflauf natürlich stehen bleiben musste. Wir erfuhren dort auch gleich, dass einem Journalisten, der den Presseausweis zeigen wollte, mit einem Knüppel ins Gesicht geschlagen wurde, eine Demonstrantin durch einen Schlag auf dem Kopf bewusstlos auf dem Boden lag und ins Krankenhaus gebracht werden musste. Wie Mensch im Nachhinein erfahren konnte, gab es weitere 3 Verletzte.

Mit diesen Bildern im Kopf ging es weiter zum Treibhaus. Nach einer Pause liefen dort tatsächlich etwa 300 Nazis auf der frisch geräumten Route hinter Hamburger Gittern vorbei. An dieser Stelle war es nur noch möglich, die Nazis lautstark zu bepöbeln, während sie vor der Döbelner Polizeistation in Selbstmitleid badeten.

Nach einem Spaziergang durch Döbeln ging es dann mit dem Bus nach Dresden zurück. Neben vielen neuen Bildern und Erfahrungen und der Enttäuschung über die misslungene Blockade bleibt vor allem ein fader Beigeschmack zurück: die Polizei hat mal wieder mit allen Schikanen bis hin zur rücksichtslosen Gewaltanwendung die Straße für Nazis frei geräumt. Sachsens Demokratie at it’s best. Die Koordination unter den Gegendemonstrant_innen ließ leider etwas zu wünschen übrig, so dass es zum Teil viel zu lange dauerte, bis die Menschen am richtigen Ort waren. Man muss den Menschen hinter Infotelefon und co. aber klar zugute halten, dass es sich bei dieser Demo eben nicht um ein regelmäßiges „Event“ der Naziszene wie in Dresden oder Leipzig handelt, wo man auf Seiten der Gegendemonstrant_innen mittlerweile auch sehr eingespielt ist. Und obwohl die Nazis ungestört unter massivem Polizeischutz gegen die Polizei demonstrieren konnten, werden auch sie diesen Tag kaum glaubhaft als Erfolg verkaufen können. Wer wochenlang bundesweit mobilisiert und dann mit 300 Hanseln aufschlägt, während die nur regional mobilisierende Antifa mit etwa ebenso vielen Menschen auf der Straße ist, der hat eindeutig ein Mobilisierungsproblem. Und das ist auch gut so.

weitere Berichte:

http://jule.linxxnet.de/index.php/2013/10/review-dobeln-am-5-10-antifaschistischer-protest-rabiate-polizei-fast-ungestorte-nazidemo/

http://nrdlnazifrei.blogsport.de/2013/10/05/polizei-kaempft-weg-fuer-nazis-frei/

 

Henriette Winkler,  Benjamin Bark